Mit Erreichen unseres nächsten Zieles zeigt sich, dass wir
bei der Wahl unserer Route durchaus abwechslungsreiche und gegensätzliche Ziele
ausgewählt haben. Nach einem abenteuerlichen Ziel folgt ein vergleichsweise entspanntes
und andersrum. Während China eher zur ersten Kategorie zählt, gehört unser
nächstes Ziel Hongkong definitiv zur Sorte millionenfach bereist und für die
Allgemeinheit als reisetauglich befunden. Genau genommen bleiben wir mit
Hongkong zwar in China, allerdings ist es gefühlt eine ganz andere Welt und ein deutlich anderes Reiseziel als China. Doch dazu
später mehr.
In Hongkong fällt uns zum ersten Mal so richtig auf, wie
bedrückend am Ende die kaum mögliche Kommunikation mit den Menschen in China
für uns war. Einfachste Dinge konnten wir nicht klären und erklären. Ganz zu Schweigen von netten Plaudereien beim abendlichen Drink. Mehr als nur einmal verlassen
wir bspw. Restaurants, weil es keine Fotos zu den Gerichten gibt und die
Bedienung unsere Betonung des Wortes Nudeln oder Dumplings nicht versteht oder
verstehen will. In Hongkong gehört diese Frustration der Vergangenheit an.
Nicht nur, dass man uns und wir endlich die Leute verstehen, es gibt wieder
freien Zugang zum Internet. So holen wir wie Süchtige die Onlinekommunikation
der vergangenen drei Wochen nach. Zudem überrascht uns Hongkong mit einer
Mischung aus britischem Hang zum Folgsamsein und chinesischer Lebensart. Autos
fahren in ihrer Spur. Nach dem Überholen reihen sie sich wieder ein. Für
Festlandchinesen wird im öffentlichen Straßenraum auf unzähligen
Hinweisschildern darauf hingewiesen, dass sich Würgen und Spucken nicht gehört,
dass man zum Vordermann gerne etwas Abstand lässt, dass Nudelsuppen nicht in
die U-Bahn gehören und dass man Leute erst aussteigen lässt und dann selbst
einsteigt. Gleichzeitig bekommt man jedoch die aus China bekannten Leckereien.
Untereinander sprechen die Menschen Kantonesisch und viele kleine Seitenstraßen
könnten durchaus als Straßenmärkte in Peking oder Shanghai durchgehen. Gleichwohl gibt
es in den Supermärkten ausreichend westliche Produkte. Und so kaufen wir uns
einmal sogar Vollkornbrot, Wiener Würstchen und Käse, weil uns Nudeln und Reis dann so doch langsam zum Halse raus hängen. In den ersten beiden Tagen sind wir
von Hongkong sehr angetan und genießen das bunte Treiben.
Wir schlendern einfach ziellos durch die Hochhausschluchten,
probieren mal hier, mal dort etwas zu essen. Vor allem aber setzen wir uns nach
den vergangenen intensiven drei Wochen
nicht unter Druck. Wir schlafen aus und legen uns sogar an einen der wenigen Strände Hongkongs,
springen ins Meer und lassen uns die Sonne auf die Bäuche scheinen. Natürlich
tun wir aber dennoch etwas für die Bildung und besichtigen etwa das Kriegs- und das
Nationalmuseum. Insbesondere letzteres schlägt alle Museen in denen ich bisher war. Zum Teil sind ganze historische Stadtviertel
nachgebaut und alles ist natürlich durch entsprechenden Multimediaeinsatz
untermalt.
Wir erfahren, dass Hongkong eigentlich zu China gehörte, einst
jedoch von ungehobelten Briten besetzt wurde. Mehr noch: Die Briten wollten eifrig
mit den Chinesen Handel treiben. Weil es den Briten im Unterschied zu den
Chinesen jedoch an sinnvollen Handelsgütern fehlte und man aus China mehr im-
als exportierte, beschloss man auf der Insel, den Chinesen einfach indisches Opium
anzudrehen und so die Handelsbilanz wieder geradezurücken. Die Chinesen,
darüber wenig erbaut, begehrten auf. Und da man in London im damaligen imperialen
Drang den einen oder anderen Soldaten über hatte, rückten die Briten
überzeugend an Chinas Ostküste ein. Die Chinesen trollten sich und waren zu Verhandlungen bereit. Im Vertrag von Nanjing wurde den Briten nun
Hongkong zugesprochen. Von 1843 bis 1997 war Hongkong – bis auf drei Jahre
japanische Besetzung – florierende britische Kronkolonie. Heute leben sieben
Millionen Menschen an den engen Ufern der über 200 Inseln Hongkongs. Die meisten tummeln sich allerdings auf Hongkong Island und Kowloon. Und mittlerweile
gehört Hongkong auch wieder zu China, konnte sich allerdings für die kommenden
Jahrzehnte auf dem Papier Demokratie, Marktwirtschaft und freie Medien
bewahren.
Da in Hongkong Platz Mangelware ist, wird vor allem hoch
hinaus gebaut. Einige Wohnhäuser haben bis zu 50 Etagen. Die Zimmer sind entsprechend
teuer und klein. Auch unser Hostelzimmer misst gerade einmal sieben Quadratmeter.
Unser Bett ist so klein, dass ich selbst mit durchschnittlichen 1,80 Meter
Köpergröße an Fuß- und Kopfende an die Wand stoße. Entsprechend halten wir uns
mehr draußen auf und verbringen bspw. einen ganzen Tag in Disneyland Hongkong. Bei
Nicole kommt man um solche Dinge nicht drumherum. Auch der wohl weltweit
kleinste IKEA – just gegenüber unseres Hostels – bleibt auf Wunsch einer
einzelnen Dame von unserer Anwesenheit nicht verschont.
Nach fünf Tagen Entspannung sagen wir Hongkong Lebewohl.
Unsere nächste Station bringt uns nach Singapur. Darauf haben wir jedoch nicht so recht
Lust. Kurzfristig planen wir um und entscheiden nach Kambodscha zu fliegen.
Wir wollen unbedingt nach Angkor Wat und mal so richtig ans Meer. Wir buchen uns
Zusatzflüge von Singapur nach Phnom Penh und verlassen während des Zwischenstopps den Flughafen in Singapur
gar nicht erst. Wer schon einmal in Singapur am Flughafen war, der weiß, dass
das an diesem Flughafen hervorragend funktioniert. Ruhebereiche mit Liegen, 24h
geöffnete Geschäfte, Duschen, toll angelegte Kaktus- und Orchideengärten, ja
sogar ein Swimmingpool verkürzen einem die Wartezeit ungemein. Nach elf Stunden
vergleichsweise entspannter Wartezeit startet unser Flieger nach Phnom Penh.
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