Thursday, October 31, 2013

Einfach treiben lassen in Neuseeland



Lange Zeit Trübsal blasen wir nach dem Abschied aus Australien natürlich nicht. Denn es geht nach Neuseeland. Es gibt wahrlich schlimmere Ziele für eine Weltreise. Natürlich freuen wir uns auf die Doppelinsel. Und wir sollen nicht enttäuscht werden. Das Land alleine bietet Erlebnisse genug, um eine ganze Weltreise zu füllen. Wir haben allerdings nur drei Wochen und die wollen wir zum Großteil mit einem Wohnmobil durch Neuseeland touren. 
 
Da freut sich jemand auf Auckland
Auckland bei Nacht
Erstes Abendessen bei Dave und Rach
Die ersten Tage jedoch verbringen wir wiederum bei Freunden. David und Rachel nehmen uns in ihr Haus in Auckland auf, geben uns hilfreiche Tipps für die kommende Reise und statten uns zudem mit einem warmen Schlafsack aus. Wie wichtig dieser wird, merken wir bereits wenige Tage später auf der Südinsel Neuseelands. Denn Anfang September ist es in Neuseeland durchaus noch bitterkalt und die Berge tief verschneit. Entsprechend frisch sind die ersten Nächte in unserem Auto.

Neuseeland ist das Land für Outdoorfans und Naturliebhaber. Beides ist bei uns in Maßen ausgeprägt. Wir sind halt Städter. Doch wir bemühen uns in den drei Wochen redlich, Outdoorhosen und Schuhe zumindest etwas auszuführen. Wer nach Neuseeland fährt, um Städte zu erleben, ist hier ganz klar falsch. Selbst die größte Stadt, Auckland, ist nicht viel mehr als eine Ansammlung von mal mehr und mal weniger netten Vororten. Oft haben wir das Gefühl in einer englischen  Kleinstadt zu sein. Unvermittelt gehen die Vororte in ein vergleichsweise kleines zentrales Business District über, das architektonisch nicht groß der Rede wert ist. Auckland nun aber als langweilig abzutun, wäre auch falsch. Die Stadt bietet durchaus eine interessante Gastronomieszene, tolle Parks und nette Menschen, auch wenn uns Wellington deutlich besser gefällt. Auckland lebt vor allem am und vom Wasser. Die Bewohner sind verrückt nach Booten und unterhalten sich über den letzten Bootkauf so wie Deutsche über ihren letzten Kleinwagen. Von den umliegenden erkalteten Vulkanen bieten sich traumhafte Ausblicke auf die Buchten und die tausenden Segel- oder Motorboote von Auckland. Von Auckland fliegen wir nach Christchurch auf die Südinsel, wo wir unseren Campervan abholen.

Auf nach Christchurch - über der Golden Bay
Campervan Brit
Auch mir war bekannt, dass es 2010 in Christchurch ein Erdbeben sowie zwei Nachbeben gab. Das Ausmaß der Zerstörung ist jedoch auch für mich schockierend und ich wage zu behaupten, dass darüber in Deutschland nur wenige Menschen wirklich Bescheid wissen. Ganze Viertel in der Innenstadt sind zerstört worden und wurden mittlerweile dem Erdboden gleichgemacht. Unklare Versicherungsverhältnisse und ein fehlender Masterplan lähmen zudem den Wideraufbau. Das Ergebnis ist eine relativ trostlose Atmosphäre. Alte Läden oder Bars stehen leer. Zum Teil ist das Mobiliar noch vorhanden, als könnte es morgen weitergehen. Zwar bemühen sich die Bewohner die Innenstadt wiederzubeleben – etwa durch ungewöhnliche temporäre Nutzungen wie der Containercity – insgesamt aber verlassen wir die Stadt nach zwei Tagen mit einem deprimierten Gefühl.

Reste der Christ Church Cathedral
Neues Shoppingcenter Containercity
Unser Weg führt zunächst nach Süden Richtung Queenstown, um später wieder in Richtung Norden, mit der Fähre auf die Nordinsel und schließlich wieder nach Auckland zu gelangen. Langsam bessert sich auch wieder unsere Stimmung, woran nicht zuletzt die atemberaubende Landschaft der Südinsel Neuseelands seinen Anteil hat. Wohl nirgends sonst auf der Welt kann man auf so engem Raum so viele Naturschönheiten sehen. Schneebedeckte Berge wechseln sich mit türkisfarbenen Seen, beeindruckenden Wasserfällen und malerischen Stränden ab. 

Unser Campervan, den ich aufgrund der Freundlichkeit des Neuseeländers im Allgemeinen und der Freundlichkeit unseres Vermieters im Speziellen sogar ohne Führerschein fahren darf, nennen wir Brit. (Irgendwo in China habe ich wohl meinen Führerschein verloren.) Der Name steht zum einen neuseeländisch für Bret – denn im neuseeländischen Englisch wird das ‚E‘ zum ‚I‘. Zum anderen heißt unsere Vermietfirma Britz. Nicole, die angesichts meines fehlenden Führerschein etwas häufiger fährt als ich, ist der Captain of the Road. Insgesamt fahren wir mit Brit in den drei Wochen in Neuseeland 3800 Km durch atemberaubende Landschaften. Selbst stundenlange Fahrten und scheinbar menschenleere Landstraßen werden so nie langweilig. Immer wieder halten wir an und unterbrechen die Fahrt für kurze Schnappschüsse. 

Mount Cook
Am Lake Tekapo
Während wir am Tag in der Regel auf der Straße sind oder Ausflüge unternehmen, verbringen wir die Abende in unserem Campervan auf einem der unzähligen Campingplätze Neuseelands. Es ist ein Leben auf engstem Raum und natürlich auch eine spannende Probe für die Beziehung. Denn Hand aufs Herz, wie lange sieht und spricht man sonst im Alltag seinen Partner. Wir können mittlerweile mit Recht behaupten, in kurzer Zeit so viel Zeit miteinander verbracht zu haben wie manche Paare in Jahren. Dennoch freuen wir uns natürlich, wenn wir auf den Campgrounds auf andere Pärchen treffen, mit denen man am Abend zusammen kocht und im Campervan die eine oder andere Flasche aufmacht.

 
New friends - Chris und Sarah aus Washington (state)
Ständiger Begleiter in Neuseeland ist die Angst ums Budget. Denn zugegebenermaßen ist ein Land für Neuseeland alles andere als geeignet, um kostengünstig um die Welt zu reisen. Am Ende geben wir pro Tag ca. das Doppelte der geplanten Tagessumme aus und trösten uns mit dem Gedanken, dass Südamerika wieder günstiger wird. Ab und zu gönnen wir uns dennoch eine der sündhaft teuren Aktivitäten, die Neuseeland zu bieten hat. So fahre ich in Queenstown mit dem Shotoverjet – einem kleinen und wendigen Speedboat, das der Fahrer millimetergenau durch enge Schluchten prügelt. Nur wenige Zentimeter liegen dabei zwischen Bordwand und Felsen. Vertrauen ist dabei alles. Denn eine Sekunde zu spät gelenkt und schon knallen Boot und Insassen mit 50-80 kmh gegen die Felsen. 

Wir unternehmen einen Ausflug in den traumhaft schönen Milford Sound an der Westküste der Südinsel und überqueren auf dem Weg dahin tief verschneite Passhöhen. In Kaikoura erleben wir unvergessliche Stunden und schwimmen mit Delfinen im siebenhundert Meter tiefen und unfassbar kalten Ozean. Die Delfine schwimmen dabei Auge in Auge an einem vorbei. Wenn man es schafft, das Tempo mitzugehen, drehen sie sogar minutenlang ihre Kreise um einen herum. Nicole besucht das Hobbiton Movie Set und gemeinsam laufen wir durch die Geysire und Schwefelfontänen in Stinkytown Rotorua. Wenn möglich, streifen wir unsere Outdoorklamotten über und tun so, als würden wir ernsthafte Wanderungen – auf Neuseeländisch übrigens Tramps genannt – unternehmen. 

 
Lugeabfahrt in Queenstown
Im Milford Sound
Mirror Lakes bei Milford
Nach unserem Delfinschwimmen in Kaikoura
Abschied von der Südinsel
Schwefelquellen und Geysire in Rotorua
Eine ganz besondere Unterbrechung der Reise für mich ist ein Brautag in einer kleinen Brauerei im Norden der Südinsel. Ein englisch-neuseeländisches Paar hat sich hier seinen Lebenstraum erfüllt und eine Mikrobrauerei gekauft. Nachdem wir eigentlich nur mal kurz anhalten, um ein Bier zu kaufen, bietet mir der Besitzer Simon an, gemeinsam mit ihm einen Tag zu brauen. An dieser Stelle nochmal ein riesen Dank für diese Möglichkeit.

Nicki und Simon von The Hop Federation
Nach drei Wochen geht unsere so ganz andere Zeit in Neuseeland zu Ende. Das Land hat uns verzaubert. Die Art zu Reisen – selbstbestimmt in einem Campervan – unterschied sich so deutlich von der Zeit vorher und mit Sicherheit auch der nach Neuseeland. Zumindest ich habe an einem wenn auch nur kurzen Reisen im Wohnmobil durchaus Gefallen gefunden. 

Die letzten Tag verbringen wir noch einmal bei Rach und David in Auckland und lassen bei BBQ und zu viel Wein die vergangenen Erlebnisse Revue passieren. Wir werden zu Davids Eltern zum Abendessen eingeladen und streifen bei nun deutlich besserem Wetter als drei Wochen zuvor durch Auckland. Und nun entdecken wir tatsächlich auch die schönen Ecken der Stadt. Neuseeland hat es einem einfach gemacht, zu reisen und unvergessliche Eindrücke zu gewinnen. Nun geht es nach Südamerika – ein neues und mit Sicherheit anderes Abenteuer. 

Abschied von Auckland

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