Noch immer sind wir völlig angetan von den vergangenen drei
Wochen in unserem Campervan. Da fällt es schon schwer, nach der Ankunft am
Flughafen in Santiago de Chile sich wieder auf völlig neue Gegebenheiten einstellen
zu müssen. Ein Gewimmel von Menschen, die ungewohnte Lautstärke und spanische
Wortfetzen brechen auf uns herein. Und wir brauchen durchaus einige Zeit, bis
wir uns erneut
auf eine neue Kultur
eingestellt haben und alle Eindrücke aufnehmen können.
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Ankunft in Santiago |
Dabei ist das Ziel Chile bewusst gewählt. Denn kein anderes
Land macht einem die Eingewöhnung in Südamerika leichter. Chile ist
vergleichsweise wohlhabend, stabil und organisiert. Korruption und Inflation
sind gering, das Pro-Kopf-Einkommen ist
das höchste in ganz Süd- und Mittelamerika. Die Infrastruktur ist hervorragend,
an materiellen Dingen fehlt es so gut wie nichts und die Menschen sind
tolerant, interessiert und weltoffen. Fast ist Chile ein europäisches denn ein
südamerikanisches Land. Und so ist das Leben in Santiago auch für uns nicht so
sehr verschieden zu dem in einer europäischen Großstadt.
Wir beziehen nach Ankunft ein Hostel, vermissen dabei ganz
enorm unseren Campervan Brit und streifen die ersten beiden Tage etwas wehmütig
durch Santiago. Im Künstlerviertel Lastarria gönnen wir uns unseren ersten von
einigen mehr Pisco Sour – dem Nationalcocktail Chiles, bereitet aus Pisco,
Limettensaft, Zucker, Eiweiß und Angostura. Die kommenden Tage wollen wir etwas
ruhiger angehen lassen und für fast zwei Wochen so etwas wie Alltag erleben.
Wir belegen einen Sprachkurs. Mit unserem Lehrer Matias, einem 25 jährigen
Linguistikstudenten, pauken wir jeden Tag Vokabeln und Grammatik. Vor der
Schule schauen wir uns die Stadt an. Nach der Schule kochen wir im Hostel,
lernen Leute kennen oder gehen sogar unverschämt früh ins Bett. Wir quälen uns
durch den Berufsverkehr Santiagos und gehen wie normale Chilenen im Supermarkt
einkaufen. Nach unserer letzten Spanischstunde nimmt uns Matias in ein Pub mit.
Gemeinsam schauen wir beim einen oder anderen Bierchen die WM-Qualifikation
zwischen Chile und Kolumbien. Wer bereits in Südamerika Fußball geschaut hat,
der weiß, dass das durchaus ein ganz besonderes Erlebnis ist. Selbst Anzugträger verlieren jegliche Beherrschung singen und schmettern inbrünstig Chiles Schlachtruf Chi, Chi, Chi, le, le, le, Vamos Chile.
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Beim täglich Pisco trinken nach der Schule |
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Künstlerviertel Lastarria |
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Hostel Nr. 1 |
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Beim Fußball schauen mit Matias |
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Hostel Nr. 2 |
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Natürlich mit Planschbecken |
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Ab und zu sind wir sogar sozial |
Wir fühlen uns nun nach einigen Tagen sehr wohl in Santiago.
Dabei ist Santiago durchaus keine Schönheit. Die Stadt hat nicht die Energie
von Buenos Aires oder Rio. Sehenswürdigkeiten sind rar gesät. Vieles in
Santiago erinnert jedoch an Berlin. Einige Stadtviertel dämmern im
Dornröschenschlaf und warten nur darauf, wachgeküsst zu werden. Die Stadt ist
nicht gekünstelt. Sie ist rau und direkt. Der Punk ist in Santiago durchaus
noch häufiger anzutreffen als der blasierte Halstuchträger. Der Sneaker
dominiert ganz klar den Lederschuh, das zerrissene T-Shirt sticht eindeutig das
Karohemd aus und so manche Prachtimmobilie träumt verkommen vor sich hin, bis
irgendwann einmal der geschäftstüchtige Immobilienentwickler kommt und ein
Hotel baut. Natürlich darf der pornobebrillte Hipster nicht fehlen. Santiago
will nicht gemocht werden. Nie hört man die Frage, wie es einem denn in
Santiago gefällt. Wer jedoch bereit ist, hinter die Kulissen zu schauen, der
entdeckt viel Herzlichkeit, Spannendes und Überraschendes – und ja, der ist
gefesselt von dieser Stadt. Und so sind wir es auch.
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So ein bisschen Street Art |
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Wartet auf den Investor |
Nach zwölf Tagen brechen wir vorläufig unsere Zelte in
Chiles Kapitale ab. Denn wir wissen, dass wir im Verlaufe unserer Reise noch weitere
zwei Mal nach Santiago kommen werden – einmal auf unserem Weg von Peru und
Bolivien im Norden nach Patagonien im Süden und letztlich ganz am Ende der
Reise im Januar, wenn wir von Santiago aus wieder Richtung Berlin fliegen
werden. Vorsorglich schauen wir uns daher noch Wohnungen in unseren
Lieblingsvierteln Lastarria und Bellas Artes an und reservieren bereits für
November und Januar zwei Apartments. Schließlich machen wir uns mal wieder auf
den Weg zum Flughafen, um diesmal in Ecuadors Hauptstadt Quito zu fliegen. Dort
warten nicht nur neue Erlebnisse, sondern auch das geliebte Bruderherz, der nach
Äonen des Studierens und kurz vor seiner ersten seriösen Lohnarbeit sein Leben
genießt und seinerseits Südamerika unsicher macht.
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Auf dem Cerro San Cristóbal |
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Monument für Chiles Indigene |
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Denkmal für den 1973 gestürzten Salvador Allende |
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Präsidentenpalast Palacio de la Moneda |
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