Monday, July 29, 2013

Chinesische Momente Teil 2


Über Chengdu, wo wir eine Pandaaufzucht besuchen, geht es mit dem Schnellzug nach Chongqing. In Chengdu lernen wir Kien kennent, einen 18-jährigen Chinesen aus Chongqing, der anbietet, uns in seiner Heimatstadt herumzuführen und uns in die Geheimnisse des Hotpot einzuführen. Spät am Abend erreichen wir die Megametropole am Jangtse. Die Stadt hat unglaubliche 38 Millionen Einwohner und die Größe von Österreich. Fairerweise muss man hinzufügen, dass dabei auch unzählige Dörfer, Felder und Wälder mit inbegriffen sind. Doch selbst die eigentlich Kernstadt Chongqing ist mit rund sieben Millionen Menschen und tausenden Wolkenkratzern beeindruckend genug. Die Innenstadt muss sich vor Hongkong, Kuala Lumpur oder Singapur nicht verstecken. Chongqing gilt neben Shanghai als zweitteuerste Stadt Chinas. Sie ist zudem die Hauptstadt des Hotpot, einer Art Fondue aus Chilliöl, in das man Fleisch oder Gemüse reinhält und garen lässt. Innenschriften an Toilettenwänden lassen allerdings eher den Schluss zu, dass es sich bei der Toilette am nächsten Tag um den eigentlichen Hotpot handelt. 

 
Neben der Schärfe des Essens ist es in China durchaus relevant, was man zum Essen vorgesetzt bekommt. Als wir uns mit Kien in dem durchaus edlen Hotpot Restaurant setzen witzel ich herum, ich könne ja mal wild auf der Karte herumzeigen, was wir wollen. Alle lachen herzhaft, auch Kien. Nachher kommen vielleicht noch so krude Dinge auf den Tisch wie Affenhirn, Rinderherz oder Schweineeier. Daher überlassen wir Kien lieber die Bestellung. Als das Essen kommt, sind wir sichtlich erstaunt über die verschiedenen Dinge, die sich uns da bieten. Kien hat für uns folgende Leckereien bestellt: Schafsmagen, Gänsedärme, Schafsgaumen und zur Krönung der Essens Achilessehne vom Schwein. Daneben gibt es noch ein paar banale Dinge wie Rindfleisch, Würstchen und Gemüse. Kien fordert uns mit Engelsblick und unnachgiebigen Lächeln immer wieder auf, von all den Köstlichkeiten zu probieren. Wie kann man da Nein sagen? Konsistenz, Geschmack, allein der Gedanke daran, auf was man da kaut, sind grenzwertig. Ich esse selten so viel Gemüse zu Abend. 

Vielmehr gilt Chongqing jedoch als Ausgangspunkt für Schiffstouren über den Jangtse durch die drei Schluchten bis hin zum Drei Schluchten Staudamm. Der Staudamm hat das Leben der Chinesen um den Jangtse stark verändert. Um rund 100 Meter Höhe wurde das Wasser aufgestaut und das auf einer Länge von mehreren hundert Kilometern zwischen dem Staudamm und der Stadt Chongqing. Die Schluchten sind daher nicht mehr so tief und atemberaubend wie noch Anfang der 90er Jahre, aber dennoch nicht minder beeindruckend. Während das Hinterland des Damms aufgestaut und geflutet wurde, wurden mehr als 20 Städte im Verlauf des Jagtse überspült und an anderer Stelle wieder aufgebaut. 1,3 Millionen Menschen wurden offiziell umgesiedelt. Die alten Städte liegen heute noch am Grund des neuen Jangtse. Entsprechend aufgeladen war die Debatte um den Staudamm nicht nur in China, sondern auch im Rest der Welt. Erste Planungen für den Damm reichen übrigens bereits bis in die 1920er Jahre zurück. Ziel war es vor allem, der ständigen Überschwemmungen Herr zu werden und den nicht enden wollenden Energiehunger der Chinesen zu befriedigen. Beides hat zweifelsfrei funktioniert.

Auch wir buchen uns eine solche Tour durch die Drei Schluchten und – das wollte ich immer schon mal schreiben – schiffen uns ein und zwar für die kommenden drei Tage, auf einer der chinesischen Flussfähren. Gemeinsam mit fünf Dänen, einem Argentinier, zwei Schweizern und einem Briten sowie ungefähr 400 Chinesen führt die Route flussabwärts durch beeindruckende Schluchten, immer mal wieder unterbrochen durch vergleichsweise sinnbefreite Besichtigungen irgendwelcher Städte oder Tempel. In unseren Augen dienen diese Ausflüge vielmehr dem Drang der Chinesen, ständig etwas essen zu müssen oder zu wollen. Und so bestürmen uns bei jedem Ausflug, sofort nachdem wir im Hafen angelegt haben, hunderte fliegende Händler und bieten alle möglichen Speisen an, die von den Chinesen gierig gekauft und verschlungen werden.
Unser Boot gehört nicht unbedingt zur Luxusklasse. Kaum verwunderlich stellt uns unsere Kajüte daher erneut vor eine weitere Prüfung der chinesischen Art. Denn das Loch im Badezimmer, genannt Toilette, stinkt nicht nur zum Himmel, es muss vor allem auch benutzt werden. Der Hotpot aus Chongqing fordert nach wie vor seinen Tribut. Die Nächte werden zur Qual. Es ist, als ob man neben einer Kläranlage schläft. Unseren chinesischen Mitbewohner, natürlich passionierter Raucher, stört die Geruchsbelästigung nicht im Geringsten. Friedlich schläft er in voller Tagesbekleidung ein. Wir bekommen hingegen kaum ein Auge zu und fragen uns, ob bei aller Budgetvorsicht nicht doch ein anderes Schiff besser gewesen wäre. Doch wir schaffen auch diese Hürde, sind stolz und kehren nach einer ausgiebigen Besichtigung des Staudamms per Bus und Schnellzug nach Shanghai zurück. Sam verabschiedet sich nach einer letzten kulinarischen Stadtführung auf Heimaturlaub nach Los Angeles. Wir hingegen genießen unsere letzten beiden Tage in Shanghai, bevor uns das ATW-Ticket zu unserer nächsten Station nach Hongkong bringt. 

 

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